Nach wie vor ist umstritten, ob ein Zeitarbeitsunternehmen seine Mitarbeiter unter Anrechnung auf die im Arbeitszeitkonto eingestellten Plusstunden (bezahlt) freistellen kann, wenn dieses – z.B. nach dem Ende eines Einsatzes bei einem Kunden – dem Arbeitnehmer insbesondere bei einem Auftragsmangel keinen Folgeeinsatz zuweisen kann. Die überwiegende Anzahl der Gerichte hat dieses Vorgehen in der Vergangenheit abgenickt (dazu jüngst: LAG Hamburg v. 22. Juli 2014 – 4 Sa 56/13; LAG Düsseldorf v. 16. November 2011 – 7 Sa 567/11; LAG Baden-Württemberg v. 29. April 2009 – 17 Sa 4/09; a.A. LAG Rheinland-Pfalz v. 24. April 2008 – 10 Sa 19/08). Auch das BAG musste sich mit dieser Frage zwar jüngst befassen, jedoch schienen dessen Ausführungen zur (Un-)Zulässigkeit dieser Praxis nicht eindeutig und in diesem Sinne in die eine, aber ggf. auch in die andere Richtung interpretationsfähig zu sein (vgl. Urt. v. 16. April 2014 – 5 AZR 483/12; dazu: Bissels, jurisPR-ArbR 34/2014, Anm. 1).
Vor diesem Hintergrund lässt eine aktuelle Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg aufhorchen, nach der – aufgrund der „Ausrichtung“ des Gerichts insoweit wenig überraschend – ein solches Vorgehen nicht zulässig sein soll (Urt. v. 17. Dezember 2014 – 15 Sa 982/14): Der Personaldienstleister setzte die klagende Arbeitnehmerin als Sachbearbeiterin bei Kunden ein. Sie erhielt unabhängig von ihrer tatsächlichen Einsatzzeit eine regelmäßige monatliche Vergütung auf Grundlage der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit; ihre tatsächlichen Einsätze wurden in einem Arbeitszeitkonto erfasst. Der Arbeitgeber berücksichtigte dort Zeiten, in denen er die Arbeitnehmerin nicht einsetzen konnte, zu deren Lasten. Nach Ansicht des LAG Berlin-Brandenburg zu Unrecht: Der zwischen dem BZA und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossene und auf das betreffende Arbeitsverhältnis anwendbare Manteltarifvertrag v. 22. Juli 2003 erlaube es nicht, auf dem Arbeitszeitkonto vorhandene Plusstunden einseitig mit Minusstunden zu verrechnen, die sich deswegen ergeben würden, weil für den Arbeitnehmer keine Einsatzmöglichkeit bestehe. Selbst wenn der Tarifvertrag anders auszulegen wäre, dürfe – so das LAG Berlin-Brandenburg – das Risiko des Personaldienstleisters, den Zeitarbeitnehmer nicht einsetzen zu können, nicht im Rahmen eines Arbeitszeitkontos auf Letztgenannten verlagert werden. Eine einseitige Verrechnung dieser Stunden zulasten des Zeitarbeitnehmers sei gesetzlich ausgeschlossen; entgegenstehende tarifliche Regelungen seien unzulässig.
Kommentar:
Bislang liegt nur die Pressemitteilung zu der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vor. Eine vertiefte argumentative Auseinandersetzung mit dieser kann vor diesem Hintergrund gegenwärtig (noch) nicht erfolgen. Vielmehr sind erst die vollständig abgesetzten Gründe abzuwarten. Spannend bleibt dabei insbesondere, wie vom LAG Berlin-Brandenburg die „Vorgaben“ des BAG aus der o.g. Entscheidung vom 16. April 2014 umsetzt werden. Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision an das BAG zugelassen.
Diese dürfte allerdings – sollte das Rechtsmittel vom unterlegenen Personaldienstleister tatsächlich eingelegt werden – im Ergebnis nur wenig Erfolg versprechend sein. Inzwischen ist nämlich bekannt geworden, dass die gegen das klageabweisende Urteil des LAG Hamburg eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde – ohne vertiefende Ausführungen – vom BAG zurückgewiesen worden ist (Beschl. v. 20. Januar 2015 – 5 AZN 809/14). Augenscheinlich geht Erfurt davon aus, dass sämtliche erheblichen Fragen in diesem Zusammenhang geklärt sind. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der 5. Senat die (bezahlte) Anrechnung von Zeiten der Nichteinsetzbarkeit auf Plusstunden im Arbeitszeitkonto grundsätzlich anerkennt, selbst wenn der betroffene Zeitarbeitnehmer nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit tätig werden konnte. Eine entsprechende Argumentation dürfte aufgrund der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen die klageabweisende Entscheidung des LAG Hamburg zukünftig nicht mehr möglich sein.
Da das LAG Berlin-Brandenburg die Revision ausdrücklich zugelassen hat, ist aber nicht unwahrscheinlich, dass sich das BAG nochmals inhaltlich mit der Zulässigkeit der Nutzung von Arbeitszeitkonten in der Zeitarbeit auseinandersetzen wird. Auf den Ausgang des Verfahrens darf man – trotz der zurückgewiesenen Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des LAG Hamburg – gespannt sein!
Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, Köln
Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie bitte meinem „Infobrief Zeitarbeit“, mit dem ich monatlich über die aktuellen Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informiere. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com).
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