Bislang konnten sich Dienstleister darauf verlassen, dass sie die „unangenehmen“ Wirkungen des AÜG, insbesondere die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses gem. § 10 Abs. 1 AÜG, vermeiden können, wenn sie mit einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „im Gepäck“ Werk-/Dienstverträge mit ihren Kunden abschließen, sich diese im Nachhinein aber als eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung herausstellen.
Diese Konstruktion bekommt auf Grundlage einer aktuellen Entscheidung des LAG Baden-Württemberg erste Risse (Urt. v. 3. Dezember 2014 – 4 Sa 41/14). Das Gericht stellte – anders als noch die Vorinstanz – fest, dass es ein widersprüchliches Verhalten sowohl der Dienstleister als auch der beklagten Kundenunternehmen darstelle, sich bei einem an sich vereinbarten Werkvertrag nunmehr auf ein Arbeitnehmerüberlassungsverhältnis bei bestehender (Vorrats-)Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu berufen. Die Parteien hätten sich während der gesamten Vertragslaufzeiten gerade außerhalb des AÜG stellen wollen und somit bewusst den durch das AÜG vermittelten Sozialschutz des Klägers zu verhindern versucht. Mangels Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis sei der Arbeitsvertrag zwischen den Drittunternehmen und dem Kläger nichtig. Es gelte vielmehr ein Arbeitsvertrag zwischen dem „Zeitarbeitnehmer“ und dem Kundenunternehmen als zustande gekommen (im Ergebnis auch: Brose, DB 2014, 1739)
Kommentar:
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist gleichermaßen spannend und praxisrelevant. Bislang ist von der Rechtsprechung die sog. „Fallschirmlösung“ akzeptiert worden. Gerade in Grenzbereichen, in denen nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen ist, ob noch eine Arbeitnehmerüberlassung oder schon ein Werk-/Dienstvertrag vorliegt, konnte sich der Auftragnehmer durch eine vorsorglich eingeholte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis „freizeichnen“. Dies soll – zumindest nach Ansicht des LAG Baden-Württemberg – nicht mehr ohne Weiteres möglich sein, wenn die Beteiligten während des Einsatzes immer für sich in Anspruch genommen haben, dass gerade keine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Eine „Rolle rückwärts“, doch auf die entsprechende Erlaubnis zurückzugreifen, wenn sich herausstellt, dass tatsächlich kein Werk-/Dienstvertrag vorliegt, soll dann nicht mehr möglich sein.
Interessant ist, dass das BAG in Zusammenhang mit einem Verstoß gegen eine vorübergehende Überlassung gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG eine (ausdrückliche oder analoge) Anwendung von § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG abgelehnt hat, da der betreffende Dienstleister über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügte. Diese Grundsätze müssen auch für den Fall gelten, dass eine solche vorhanden ist, aber in der konkreten Abwicklung der Vertragsbeziehungen zwischen dem Auftragnehmer und dem Kunden keine Rolle spielt. Fakt ist, dass die Erlaubnis zunächst erteilt und damit in der Welt ist. Die (unmittelbare oder analoge) Anwendung von § 10 Abs. 1 AÜG ist folglich bei Scheinwerkvertragskonstellationen ausgeschlossen. Insoweit geht auch die Argumentation des LAG Baden-Württemberg zunächst fehl, dass bereits „mangels Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis“ der Ausgangsarbeitsvertrag zwischen dem Mitarbeiter und dem Auftragnehmer nichtig sein soll.
Zu der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses kann es letztlich nur über den wenig fassbaren Begriff des Rechtsmissbrauchs kommen, den schließlich das LAG Baden-Württemberg zu bemühen scheint, wenn es von einem „widersprüchlichen Verhalten“ – einem Unterfall des Rechtsmissbrauchs – ausgeht. Ob tatsächlich die Umstände des Einzelfalls das Gericht veranlasst haben, die Vorratserlaubnis als unbeachtlich zu qualifizieren, oder ob dieses einen insoweit allgemeinen Grundsatz aufstellen wollte, kann auf Grundlage der bislang vorliegenden Pressemitteilung nicht abschließend beurteilt werden. Die Entscheidung bietet jedoch Anlass zur Sorge – zumindest aus Sicht von Dienstleistern, die auf Grundlage einer Vorratserlaubnis tätig sind.
Partner, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle, Köln
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