Zwei wie Pech und Schwefel können sie sein und sind es im Idealfall auch. Ihr Verhältnis ist von jahrelangem Vertrauen geprägt, von Höhen und Tiefen, die gemeinsam durchgestanden wurden. Man hat sich gestritten und wieder vertragen. Man kennt sich in- und auswendig, weiß, wie der andere tickt und was er braucht, wo seine Stärken und Schwächen sind. Sie kennt alles seine Witze und Sprüche und er weiß, wann sie besser nicht schräg angeschaut wird. Er vergisst nie ihren Geburtstag – eher seinen Hochzeitstag. Die Rede ist nicht von einem „alten Ehepaar“. Die Rede ist von der Sekretärin – bzw. Assitentin – und ihrem Chef. Gemeint ist heute die Sekretärin vom Geschäftsführer, Betriebsleiter, Niederlassungsleiter, Vorstand – also die, vom „großen“ Chef. Mir begegnet in der Praxis sehr oft der Fall, dass nicht vorgesorgt wurde für den Fall, dass er in Rente geht oder aus anderen Gründen das Unternehmen verlässt. Dann steht sie plötzlich im Regen und findet sich in dem Unternehmen nicht mehr zurecht.
Was passiert und wie wird es von ihr empfunden?
2 Szenarien:
1. Die Stelle vom „Chef“ gibt es nicht mehr. Sie ging durch Umstrukturierung und Verflachung der Hierarchien verloren. Nun wird sie an einen anderen Platz gesetzt, der vollkommen unter ihrer Würde und unter ihren Fähigkeiten liegt eingesetzt. Die Kollegen arbeiten zwar mit ihr zusammen aber etwas scheint sie an sich zu haben, dass die anderen irgendwie auf Distanz hält.
2. Die Stelle von „Chef“ gibt es noch. Es kommt ein Neuer. Ein Junger. Einer, der die Sache so ganz anders anpackt als der frühere Chef. Sie bleibt auf der Position aber sie kann nicht mit dem Neuen und er nicht mit ihr. Sie wird an eine andere Stelle im Unternehmen gesetzt. Der Chef sucht sich eine Assistentin, mit der er gut klar kommt. Die frühere Sekretärin vom Chef fühlt sich gedemütigt, übergangen, gemobbt etc.
Wie sieht es juristisch aus?
In beiden Szenarien ist es in der Regel so, dass arbeitsvertraglich alles einwandfrei gelaufen ist. Der Arbeitsvertrag der Sekretärin „vom Chef“ sieht eben auch den Einsatz an anderen Stellen im Unternehmen vor, in denen Sekretariatsarbeiten anfallen. Einen Status „Chefsekretärin“ gibt es nicht laut Arbeitsvertrag.
Warum fühlt sie sich trotzdem hundeelend und unverstanden?
Über Jahre lebte sie in dem Glauben „Chefsekretärin“ zu sein, weil sie die Sekretärin vom Chef war. Sie dachte und bekam von ihrem Chef aus vermittelt, dass sie etwas ganz Besonderes ist. Sie hat auch für ihn schwer gearbeitet, seinen Kalender und seine Ruhe- und Konzentrationsphasen verteidigt wie ein kleiner Soldat. An ihr kam keiner vorbei, wenn sie das nicht wollte. Sie hatte Macht. Dies hat mir der Position und mit der Person ihres Vorgesetzten zu tun und in der Regel nichts mit dem Arbeitsvertrag. Über die Zeit vergisst sie, sich im Unternehmen Netzwerke zu erhalten und Allianzen zu schmieden für die Zeit danach. Sie verliert die Anbindung an die anderen Mitarbeiter und „hebt ab“ in deren Augen. Dass das alles nicht gewollt ist, spielt keine Rolle.
Wie kann sie sich davor schützen?
Sie kann ihn bitten, schon zu Zeiten seiner Noch-Tätigkeit dafür zu sorgen, dass sie nach seinem Weggang einen Platz im Unternehmen bekommt, den sie ausfüllen kann und mag. Sie sollte nie die Anbindung an die Kollegen im Unternehmen verlieren und sich immer bewusst sein, dass sie einen Arbeitsvertrag hat, in dem nicht „Chefsekretärin“ drin steht. Sie sollte schauen, dass sie sich weiterbildet und immer mal ihren Marktwert testen. Wenn er geht, sollte sie auch Alternativen außerhalb des Unternehmens in der Tasche haben.
FAZIT:
Nicht immer ist es so dramatisch, wie beschrieben. Aber in vielen Jahren Anwaltstätigkeit sind mir zahlreiche solcher Fälle begegnet. Das Gute ist: Man kann sehr gut vorbeugen.
Über die Autorin:
Dr. Sandra Flämig ist Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Stuttgart.
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