
Das Fragen nach „Schwächen“ ist eine der größten Unarten im Recruiting-Prozess und vordergründig in Job Interviews. Egal wie rhetorisch man diese aufbereitet, sie ist und bleibt hochpathologisch.
In den Köpfen der Bewerber geistert diese Frage – oder vielmehr: „Was antworte ich nur darauf?“ – umher und es werden unzählige „schlaue“ Tipps und Tricks, wie man diese unsinnige Frage mit einer „schlauen“ Antwort bedienen kann, empfohlen.
- Was ist denn der tiefere Sinn immer noch nach „Schwächen“ zu fragen?
- Welche relevante Einschätzung gewinne ich als Recruiter wirklich?
- Was hat der Bewerber davon sich auf irgendwelche Pseudo-Antworten vorzubereiten, die den Recruiter langweilen bzw. ihn in seiner Entscheidungsfindung nicht weiterbringen?
- Warum werden Kandidaten zum Interview eingeladen? Um Schwächen zu identifizieren? Oder um herauszufinden ob der Kandidat passt?
Psycho? Logisch!, ist es recht einfach: Die Frage nach den Schwächen macht den Bewerber in seiner Bewerbungssituation – schwach. Mehr noch, alleine das Wissen um diese Frage, bringt den Bewerber in seiner Vorbereitung auf das Interview, buchstäblich auf eine falsche Spur.
Als Headhunter habe ich meinen Kandidaten diese Frage nie gestellt, wollte allerdings wissen, wie sich Bewerber selbst reflektieren und mit ganz pragmatischen alltäglichen Situationen im fachlichen und zwischenmenschlichen Kontext umgehen. Wie kann sich der Kandidat selbst reflektieren, das ist relevant, um zu einer Entscheidungsfindung zu kommen.
Dafür gibt es weitaus schlauere – vor allem offene und direkte – Klartextfragen, die der Bewerber nicht mit auswendig gelernten Phrasen beantworten kann.
Briefen Sie Ihre Bewerber, dass Sie sie im Rahmen eines offenen und wertschätzenden Dialog kennenlernen wollen. Geben Sie Ihren Kandidaten nicht nur rhetorisch das Gefühl, dass sie bei Ihnen willkommen sind, sondern laden Sie Ihren Dialog mit echtem „Leben“ auf. Das unterstreicht die proklamierte Unternehmenskultur auf der Unternehmenswebsite und gibt zudem den Charme einer Glaubwürdigkeit.
Stärken und Schwächen hat was von Gut und Böse in der Wahrnehmung des Bewerbers.
Und wer will schon „böse“ sein? Potenzial basiert auf besonderen Ausprägungen und verhaltenspsychologischen Grundmustern. Dazu gehören auch natürliche Begrenzungen von Wissen, Fähigkeiten und Persönlichkeitsprofilen. Wir arbeiten nun schon seit zehn Jahren mit psychologischer Eignungsdiagnostik und sehen rund um Recruiting und Personalentwicklung eine qualitativ hochwertige Ergebnisdichte. Und vor allem eine hohe Akzeptanz bei Mitarbeitern und Kandidaten.
Beseitigen Sie die mystische Vorstellung, mit der Frage nach den Schwächen irgendetwas erreichen zu können und entdecken Sie das wahre Potenzial Ihrer Kandidaten und Mitarbeiter!
Über Jobcollege KompetenzPartner
JOBCOLLEGE leistet seit 2002 als KompetenzPartner mit den drei Geschäftsbereichen BewerbungsPartner, KarrierePartner und UnternehmensPartner ein ganzheitliches Angebot rund um die Themenfelder Bewerbungsprozess, Karriereentwicklung und Personaldienstleistung.
Mit psychologischer Eignungsdiagnostik (DISC) werden Potenziale und Verhaltens Profile identifiziert.
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Kommentare
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Aussage kann ich so nicht zustimmen. Ich halte die Frage nicht für eine Unart. Ich stelle sie selber und erkläre auch dem Bewerber, dass es nicht darum geht, abzugleichen, ob die genannte Schwäche zu meinem Profil passt, sondern den Menschen kennenzulernen. Wer reflektiert mit sich umgeht, sollte eine solche Frage beantworten können. Ich meine schon unterscheiden zu können, ob eine Antwort gelernt gegeben wird oder ob Reflektion des Verhaltens dahinter steckt. Als Selbstzweck ist die Frage ungeeignet, da gebe ich dem Autor Recht.
Wenn ein Buchhalter mir allerdings als Schwäche „Ungenauigkeit“ nennen würde, würde ich da ganz intensiv nachfragen.
Um einen Menschen zu beurteilen, halte ich solche Fragen für legitim. Es ist immer wieder interessant, die Reaktionen wahrzunehmen und sie im Kontext des Gespräches zu betrachten. Außerdem geben sie mir eine gute Basis, weitere Fragen zu stellen. Trotzdem lohnt sich Ihr Beitrag, seine Fragen zu überdenken: Mein Ergebnis: Ich werde sie weiter stellen
Vielleicht haben Sie bei einigen Fragern Recht. Provokation ist erlaubt, aber ich finde es schon fast an der Grenze, diese Frage zu diskreditieren.
Ich bin sehr gespannt, wie andere das sehen.
Ihr
Karsten Behrendt
Sehr geehrter Herr Behrendt,
zunächst danke ich Ihnen für Ihren Kommentar und Ihre Erfahrungen.
Sie haben sicher Ihre Gründe „Schwachstellen“ zu hinterfragen.
Mir geht es mit dem Artikel um die einsilbige Frage nach den „Schwächen“.
Herauszufinden ob ein Kandidat reflektiert mit sich umgeht, erachte ich ebenso als relevant!
Und genau hier sehe ich den Ansatz. Konkrete Fragen, wie ein Mitarbeiter sich z.B. in speziellen Konfliktsituationen verhält oder wie er seinen Tagesablauf organisiert und das auch mit Beispiele unterlegt, gewinnt an höherer Aussagekraft und lässt eher ein Talent oder eine Begrenzung (Schwäche) erkennen.
Was spricht dagegen, Bewerbern im Vorfeld zu kommunizieren, dass es im Bewerbungsgespräch auch um Selbstreflexion geht? Dann können sich Bewerber auch adäquat vorbereiten und als Recruiter verschleiere ich mein Interesse an der Selbstreflexion nicht hinter der „Schwächen-Frage“.
Die sogenannte Beurteilung von Menschen ist ohnehin eine sehr subjektive Angelegenheit.
Wer kann wirklich behaupten, dass er einen Menschen in seinem ganzen Umfang und Wesensart innerhalb 30-60 Minuten „beurteilen“ kann?
Mit meinem Artikel geht es mir auch gar nicht um Recht haben. Es ist nur eine sehr nüchterne Beobachtung aus meiner praktischen Erfahrung mit BewerberInnen und Recruiter zum Thema Vorstellungsgespräche/Job Interviews und soll keine pauschale „Keule“ sein 😉
Weiterhin freue ich mich auf einen lebendigen, gerne auch kontroversen Diskurs zum Thema.
Grüße,
Achim Krämer
Sehr guter Artikel! Gerade, wenn man viel und häufig rekrutiert erkennt man die Grenzen der Fragetechniken.
Als Dozentin für HR-Fachleute übe ich mit den Teilnehmenden dies im Unterricht intensiv. Aber THEORIE und PRAXIS zeigt hier Gewohnheitsklippen.