Der „war for talents“, das Schlagwort aus längst vergangenen Tagen boomender Wirtschaft klingt im Frühjahr 2004 fremd. Laut einer Studie von Cap Gemini Ernst & Young könnte der Kampf um die Fachkräfte allerdings schneller wieder entbrennen, als es so manchem Arbeitgeber lieb sein kann. Bei einer Umfrage unter den 1.000 größten deutschen Unternehmen, sehen 176 Personalentscheider den schon fast vergessenen „Krieg um die Talente“ als eines der wichtigsten personalpolitischen Themen der Zukunft an.
Heute bestimmt der fehlende Aufschwung immer noch die strategischen Themenfelder: Personalabbau, Kostensenkung, Standortverlagerung und Outsourcing.
Spätestens im Jahre 2005 werden sich Personaler wehmütig an die Zeiten erinnern, als sie sich vor Bewerbungen hochqualifizierter Kräfte kaum retten konnten. Das aktuelle Überangebot wird sich als kurze Episode erweisen, die schnell wieder von einem Nachfragemarkt abgelöst wird. Besonders die Automobil- und Maschinenbaubranche sowie die Konsumgüterindustrie rechnen schon bald mit erneuten Kämpfen um hochqualifiziertes Personal.
Mehrere Faktoren kommen zusammen: Der wichtigste, aber oft nicht richtig wahrgenomme Faktor ist die demographische Entwick-lung der Altersgruppe zwischen 30 und 40. Die Zahl der 35 jährigen, die in einem Kalenderjahr Geburtstag haben, nimmt von 2002 bis 2007 um mehr als 40% ab.
Daneben eskalieren die Strukturprobleme der Bildungsinstitutionen. Die Pisa-Studie hat die Lücken bis weit in die wissenschaftliche Ausbildung deutlich gemacht und dabei erst die Spitze des Eisbergs gezeigt. Die universitäre Ausbildung produziert auch heute noch Absolventen mit fehlendem Praxiswissen und den falschen Abschlüssen. Insgesamt reagieren die Teilnehmer an den Bildungsmärkten zu langsam auf die Beschleunigung, Internationalsierung und Vernetzung der Wirtschaft.
Hinzu kommen die Lücken im Mittelbau der Unternehmen, die durch die Entlassungswellen vergangener Jahre gerissen wurden. Die einhergehende sichtbare Überbetonung von Flexibilität, Dynamik und Aktivität führt zu einem Verlust an Seniorität und Erfahrung. „Grey hair ist nicht mehr gefragt!“ Selbst diejenigen über Fünfzig, die in der tatsächlichen Leistung locker mit den Jüngeren mithalten, ste-hen aus Kostengründen auf den Transferlisten. Die Jüngeren sind einfach günstiger.
Wenn dann noch regionale und strukturelle Engpässe, wie die Sogwirkung der Ballungszentren oder die mangelnde Attraktivität gan-zer Wirtschaftszweige hinzukommen, wird es ernst.
Das bedeutet für die Personalabteilungen in den Unternehmen, dass einerseits die Personalbindung das wichtigste Thema bleibt, und andererseits die Personalbeschaffung wieder in den Vordergrund treten und noch anspruchsvoller werden wird. Die Luft am oberen Ende wird immer dünner. Oder wie die Studie konstatiert: „Junge Talente werden nicht mehr in der bislang bekannten Quantität nachwachsen und auch nicht mehr in der gewohnten Qualität“.
Deshalb heißt es jetzt, die besten Kräfte im Unternehmen aufspüren und gezielt in einem Entwicklungsprogramm betreuen. Ohne eine wirksame Bindung an die Unternehmen werden die Toptalente den Arbeitgebern schnell den Rücken kehren, wenn die Zeiten wieder rosiger werden und verlockende Angebote von anderen winken.
Auch für die Neubesetzung von Führungspositionen ist jetzt der günstigste Zeitpunkt. Erfahrene Marktteilnehmer haben den Mit-telstand dazu aufgerufen, aus dem Vollen zu schöpfen und sich heute schon jene Fachkräfte zu suchen, die sonst später in Zeiten der Hochkonjunktur wieder bei den Großunternehmen anklopfen werden.
Wer sich heute als attraktiver Arbeitgeber positioniert, hat seine „Schäfchen“ im Trockenen, wenn sich die Großen mit dem Scheckbuch in der Hand erneut den Kampf um die Talente liefern werden
Für die Führungstalente von heute lautet die Schlußfolgerung: Augen auf, denn die Arbeitgeber, die als erste die „Lähmung“ überwinden, sind möglicherweise die Topunternehmen von morgen.
Quelle: http://ingeniam.de/talentsuche-antizyklisch-und-mutig/